Das Magazin der Friedhelm Loh Group

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Interview
Innovation

„Wir sorgen bei Green Steel für Transparenz“

Die Stahlindustrie steht vor großen Veränderungen, insbesondere mit Blick auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Grüner Stahl spielt dabei eine zentrale Rolle. Oliver Sonst, CEO von Stahlo, gewährt im Interview Einblicke in die Stahlindustrie und zeigt auf, wie es mit Verfügbarkeiten von grünem Stahl aussieht und wie sein Unternehmen als unabhängiger Stahlprovider Transparenz gewährleistet.

Text Christian Vilsbeck, A&D ––– Fotografie

Herr Sonst, Stahlo strebt danach, ein Green Steel Provider zu werden. Was versteht man unter „grünem Stahl“?

Der Begriff „grüner Stahl“ ist gebräuchlich, obwohl es keine offizielle und einheitliche Definition dafür gibt. Stahl unterscheidet sich über die Herstellungswege, wie die Elektrostahlroute, bei der Schrott im Elektrolichtbogenofen eingeschmolzen wird. Ganz klassisch dagegen ist die Hochofenroute, bei der Rohstahl aus Erz und Kokskohle hergestellt wird. Green Steel steht heute für eine emissionsreduzierte Produktion dieser Routen und zusätzlich auch für eine verbesserte Emissionsqualität entlang der gesamten Lieferkette. Grüner Stahl entsteht beispielsweise durch das Einschmelzen von recyceltem Schrott mit grünem Strom. Zu erwarten ist, dass grüner Stahl etwa 30 bis 60 Prozent weniger Emissionen verursachen soll als bei der bisherigen Herstellung.

Wie erleben Sie derzeit das Interesse an Green Steel?

Das Interesse ist momentan enorm hoch, da jedes Unternehmen gezwungen ist, sich mit Emissionen auseinanderzusetzen. Die meisten müssen festlegen, wie sie ihre Betriebsabläufe in den nächsten Jahren optimieren können, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes bis 2045 zu erreichen. Die Stahlhersteller haben sich bereits in Stellung gebracht. Derzeit favorisieren viele Stahlhersteller die direkte Reduktion als technische Lösung, bei der Eisenschwamm aus Eisenerz und idealerweise grünem
Wasserstoff hergestellt wird. Die meisten führenden Stahlhersteller haben bereits solche Anlagen konzipiert, projektiert und teilweise subventioniert erhalten. Die Basis für weitere unternehmerische Investitionen hängt jedoch davon ab, ob sich ein „grüner Markt“ bildet. Es bleibt spannend.

Vermitteln oder sichern Sie Ihren Kunden schon gewisse Chargen an grünem Stahl?

Wir haben mit zahlreichen Stahlwerken bereits Vereinbarungen über den Bezug von CO₂-optimiertem Stahl abgeschlossen, um die Verfügbarkeit sicherzustellen. Für unsere Kunden entwickeln wir technische und wirtschaftliche Roadmaps zur Emissionsreduzierung, basierend auf ihrem aktuellen Stahleinsatz, ihren Zielen und den von uns gesicherten Chargen. Wir können auch bereits CO₂-optimierten Stahl beschaffen, sei es Elektrostahl oder hochoptimierten Stahl aus dem Hochofen. Wir empfehlen Kunden mit Interesse für grünen Stahl, frühzeitig zu planen und sich nicht ausschließlich auf zukünftige Verfügbarkeiten zu verlassen. Denn einige Analysten sagen schon jetzt Engpässe für Green Steel von bis zu sieben Millionen Tonnen im Jahr 2030 voraus.

„In den ersten Jahren werden verstärkt optimierte Produkte mit Massenbilanzierung auf dem Markt angeboten.“


Stahlexperte: Oliver Sonst,
CEO von Stahlo, ein Unternehmen der Friedhelm Loh Group

Kunden mit einem hohenm Stahlbedarf sollten also möglichst schnell mit Vorvereinbarungen aktiv werden …

Das ist korrekt, und das sage ich jetzt nicht aus Eigennutz. Automobilhersteller oder große Zulieferer beteiligen sich bereits selbst an Stahlwerken oder Sonderprojekten, um sich ihre signifikanten Mengen an Green Steel zu sichern. Sie haben erkannt, dass die CO₂- Einsparungen durch Green Steel die zweitbeste Optimierung des eigenen Fußabdrucks ist, gleich nach der Umstellung auf einen grünen Stromtarif. Für diese großen Unternehmen ist das ein Weg für die frühzeitige Sicherung. Für kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Bedarf von vielleicht nur 5- oder 10.000 Tonnen Flachstahl im Jahr ist das aber nicht praktikabel. Hier kommen wir als unabhängiges Stahlservicecenter ins Spiel und können diese Menge an grünem Stahl aus verschiedenen Stahlwerken vorreservieren. Wir bieten eine volle Transparenz in der Planung und den Kosten über die verschiedenen Green-Steel-Produkte an.

Wie verschaffen Sie Ihren Kunden die notwendige Transparenz über die gesamte Lieferkette?

Mit unserem Stahlkompass machen wir transparent, was Kunden kaufen und wieviel Emissionen damit verbunden sind. Sie können über unsere Anwendung ihre Klimaziele einstellen, und wir berechnen genau, wie viel von welchem Material kombiniert werden muss und was es kostet. Zudem bieten wir eine klare Belegführung, damit Kunden sicherstellen können, dass sie auch erhalten, wofür sie bezahlen. Unser Ziel ist es, die Emissionen wie einen Materialwert zu behandeln und eine Transparenz über die gesamte Lieferkette zu schaffen.

Gibt es bereits Ansätze, Emissionswerte bei Stahl standardisiert zu übermitteln?

Wir gehen einen solchen Weg mit dem Digitalen Materialpass DMP und ermöglichen damit standardisierte Prüfbescheinigungen gemäß EN 10168 für Stahlcoils. Wir wollen so die Chargen-Eigenschaften wie Emissionswerte und Materialeigenschaften weitergeben. Gerade bei Green Steel ist diese Transparenz extrem wichtig. Wir sind bereits in der Automobilbranche aktiv und arbeiten mit Partnern zusammen, um Produkt- und Materialpässe auszutauschen. Es ist ja auch das Ziel von Ökosystemen wie Manufacturing-X und Catena-X, Transparenz über die gesamte Lieferkette zu ermöglichen – in einem standardisierten und austauschbaren Datenformat. Wir gehen mit unserem DMP in Vorleistung, weil es in der Stahlbranche noch nichts Vergleichbares gibt, und können so schon jetzt Kunden eine transparente und via Blockchain manipulationssichere Lösung anbieten. Die konforme Datenübergabe an die genannten Ökosysteme ist für uns klar die naheliegendste Entwicklungsperspektive. Deswegen legen wir großen Wert darauf, dass unsere Lösung anpassbar an die agilen Anforderungsveränderungen der Zukunft bleibt. Schließlich sind wichtige Spielregeln und Definitionen noch nicht mit allen vereinbart.

Wie sieht eigentlich der Preisaufschlag bei Green Steel aus?

Als Richtwert geben Stahlhersteller in der Regel einen Aufpreis von etwa 20 Cent pro Kilogramm an, was etwa 200 Euro pro Tonne entspricht. Dabei handelt es sich um Stahl, der um etwa 30 bis 60 Prozent emissionsärmer hergestellt wird. Das entspricht etwa einer CO₂-Einsparung von 0,7 bis 1,4 Tonnen pro Tonne Stahl. Im Vergleich dazu kostet aktuell ein Emissionszertifikat im ETS-Handel ungefähr 90 Euro pro Tonne CO₂.

Wie sieht es bei Stahlo selbst mit dem CO₂-Fußabdruck aus?

Seit Anfang 2022 beziehen wir ausschließlich grünen Strom für unsere Betriebsabläufe, was sich natürlich positiv auf unsere Bilanz auswirkt. Dadurch verwenden wir fast keine fossilen Brennstoffe mehr, mit Ausnahme von Erdgas an besonders kalten Wintertagen für die Hallenheizung. Die Berechnung unseres CO₂-Fußabdrucks erfolgt durch die Aufteilung der Gesamtemissionen durch die produzierte Stahlmenge. Aktuell liegt dieser Wert bei etwa 3,6 kg CO₂ pro Tonne verarbeitetem Stahl. Unser Ziel ist es, unter drei Kilogramm pro Tonne zu erreichen. Durch die Elektrifizierung unserer Betriebsmittel haben wir bereits beträchtliche Fortschritte erzielt und unseren CO₂-Ausstoß seit 2020 um die Hälfte reduziert.

Warum sollten sich Kunden an einen unabhängigen Stahl-Provider wie Stahlo wenden?

Kunden profitieren von der globalen Verfügbarkeit aller Stahlprodukte, die wir als Importeur international und durch unsere Lieferbeziehungen zu führenden Stahlwerken in Europa bieten können. Sie haben die Möglichkeit, auch kleinere Mengen spezieller Produkte von bestimmten Stahlwerken über uns zu beziehen, und erhalten eine zuverlässige Versorgungssicherheit. Unsere Preise bleiben dabei wettbewerbsfähig. Darüber hinaus ermöglichen wir auch kleinen Kunden den Zugang zu umweltfreundlichen Stahloptionen. Bis 2030 streben wir an, etwa 30 Prozent unseres Umsatzes mit Green Steel zu erwirtschaften, was etwa 150.000 bis 200.000 Tonnen entspricht. Kunden erhalten bei uns auch volle Planungssicherheit, weil wir als Teil der Friedhelm Loh Group auf ehrliche Partnerschaft und Langfristigkeit setzen.

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